Frühkindlicher Autismus

Bei der autistischen Störung handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Im Zentrum autistischer Krankheitsbilder steht eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstörung, die bereits im Kindesalter beginnt. Dazu kommen Verhaltensauffälligkeiten, durch die besonders für die Eltern der Umgang mit ihren Kindern sehr belastend werden kann.

Das Bild des frühkindlichen Autismus beschrieb im Jahr 1943 als erster der Kinderpsychiater Leo Kanner. Nach ihm wird die Entwicklungsstörung auch Kanner-Syndrom genannt. Kanner zufolge sind die Kardinalsymptome:

  • eine bereits in der frühen Kindheit beginnende Unfähigkeit zu Kontakten verbunden mit einer Abkapselung von der personalen Umwelt
  • sowie tiefgreifende Ängste vor Veränderungen, die zu einem zwanghaften Streben nach Gleicherhaltung führen

Ein frühkindlicher Autismus liegt nach heutigem Erkenntnisstand dann vor, wenn sich bestimmte Auffälligkeiten und Einschränkungen in folgenden Bereichen zeigen:

  • qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion
  • qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation
  • begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten

Beim frühkindlichen Autismus zeigen sich Auffälligkeiten, bei einem typischen Entwicklungsverlauf, bereits im Säuglingsalter. Autistische Babys haben oft Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen. Das Verständnis für Gesten, Mimik oder Worte ist häufig zunächst erschwert. Ihr Interesse gilt eher Dingen als Personen.

Selbst zu den eigenen Eltern können autistische Kinder keine Beziehung herstellen. Manche von Ihnen kapseln sich von ihrer Umwelt ab, andere fallen durch eine nicht altersangemessene Kontaktaufnahme auf.

Auch ihr Spiel gleicht nicht dem ihrer Altersgenossen. Vielmehr benutzen sie Spielzeug z.B. oft in immer gleicher zweckentfremdeter Art und Weise. Dabei gibt es einen Hang zu immer gleichen Handlungen und Stereotypien, z.B. dem Drehen und Kreiseln von Rädern, dem Wedeln mit Gegenständen oder dem Zerreißen von Papier. Autistische Kinder imitieren nur selten andere Menschen und zeigen kaum Rollenspiele.

Von sich aus lernen sie nur schwer neue Fähigkeiten und bleiben ohne therapeutische Hilfe in ihrer Entwicklung häufig stehen. Viele autistische Kinder und Jugendliche bestehen zwanghaft auf bestimmten Ordnungen. Jede Veränderung ihrer Umwelt kann zu starker Erregung führen. Ihre Familie können sie zur Verzweiflung bringen, indem sie Verhaltensweisen oder sprachliche Äußerungen immer wiederholen, exzessiv Gegenstände sammeln oder sich weigern, bestimmte Kleidung zu tragen.

Viele autistische Kinder lernen gar nicht zu sprechen, fallen durch verbale Stereotypien auf oder benutzen ihre eigene Sprache. So werden sie oft auch von den eigenen Eltern nicht verstanden, was für diese besonders schmerzhaft ist. Nicht zuletzt aufgrund der mangelnden Kommunikationsmöglichkeit kommt es nicht selten zu Selbst- und Fremdverletzungen und - ohne entsprechende Hilfsmaßnahmen -  im weiteren Verlauf  zur stationären Unterbringung.

Sehr unterschiedlich ist die – allerdings bei der Zielgruppe schwer messbare -intellektuelle Begabung von Menschen mit frühkindlichem Autismus: Viele Kinder mit Kanner Syndrom werden in den Bereich der Geistigen Behinderung eingeordnet. Andere zeigen eine leicht unterdurchschnittliche, normale oder selten überdurchschnittliche Intelligenz. Dabei können einzelne Menschen mit Autismus erstaunliche und manchmal versteckte Leistungen im zum Beispiel im Bereich des Gedächtnisses, in technischen Disziplinen, oder der Musik entwickeln.

Früheren Untersuchungen zufolge sind von 10.000 Menschen 4-6 frühkindlich autistisch. Neuere Studien weisen eine wesentlich höhere Prävalenzrate (16,8 auf 10.000) aus. Jungen sind 3-4 mal häufiger betroffen als Mädchen.